In dieser Woche mache ich mal was völlig anderes: Ich besuche den ersten Kirchentag meines Lebens, den ökumenischen Kirchentag in München (Twitter: @kirchentag, Hashtag #oekt). Ich muss gestehen: Würde eine gute Freundin nicht ein Podium zum Thema Rassismus in Deutschland moderieren, würde ich keinen Gedanken daran verschwenden, dorthin zu gehen.
Meine Freundin freut sich seit langem auf den Kirchentag, dort sei immer “so eine gute Stimmung”. Wie bitte? Neugierig geworden warf ich einen Blick ins Programm – und war schwer beeindruckt: Ob internationale, politische Themen, ökologische und ökonomische Diskussionen, Kabarett, Konzerte und jede Menge Prominenz: unter den rund 3000 Veranstaltungen ist für jeden was dabei. Ob gläubig oder nicht.
Seitdem treibt mich eine Vermutung um: dass die Kirchen ein Vermarktungsproblem haben könnten – trotz großer Kampagne, trotz gelungener Website und Facebook-Engagement etc. Denn eigentlich müsste ich als “passive Katholikin”, die kurz davor steht auszutreten aber noch zögert, zu den wichtigen Zielguppen gehören, oder nicht? Dennoch kam bei mir die Botschaft nicht an. Warum ist das so?
Das “Kirchensprech” ist für mich persönlich der Hauptgrund: Ich schalte automatisch und sofort ab, wenn mir eine “Begegnung der Religionen” oder ein “Zentrum Eine Welt” angeboten wird. Oder wenn ich “Gemeinsam Glauben erleben” soll – zum Beispiel in der “interreligiösen Bildungsoase”, in einer “Vesper in ökumenischer Gemeinschaft” oder an “Orten des Zuhörens”. Ich vermute mal, dass es nicht nur mir so geht.
Als Journalist lernt man, dass man Floskeln wie “im Wandel der Zeit” oder “gestern – heute – morgen” vermeiden muss. Das Kirchendeutsch ist voll davon.
In der Veranstaltungsdatenbank erfahre ich, dass es auf dem Kirchentag 118 “Begegnungen” gibt, 141 “Gemeinschaften“, 283 “Dialoge” und 330 mal “Hoffnung“. Es sind immer die gleichen Begriffe, die scheinbar wahllos zusammengewürfelt werden. Da bleibt jede Spannung und konkrete Information, die neugierig machen könnte, auf der Strecke.
Sogar der Bayerische Rundfunk ließ sich anstecken und twitterte für die Rundschau unter @BR_rowser: “Ökumenischer Kirchentag: Dialog als Ausweg? http://trim.li/nk/1Y8G”. Wenn das nicht spannend klingt.
Liebe Kirchenmarketer, ich behaupte mal: Mit diesen Begriffen sprecht Ihr nur diejenigen an, die Ihr ohnehin schon gewonnen habt. Lasst doch mal andere Texter ran und lüftet den Wortschatzschrein ordentlich durch! Dann gewinnt Ihr womöglich auch das Interesse der Menschen, die sich längst nicht mehr für die Kirchen interessieren. So wie mich.